Dr. Bernd Wölfl: „Die Strafanzeige des Mieters – oder der Fluch der bösen Tat!“

(„Wohnung & Haus“, 1/2017)

Die Strafanzeige des Mieters – oder der Fluch der bösen Tat!

 

Rechtsanwalt Dr. Bernd Wölfl, Pocking

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Strafrecht, Mediator
Ständiger Mitarbeiter von Wohnung + Haus
Vorsitzender des BWE Passau

BWoelfl

Nicht selten enden mietrechtliche Auseinandersetzungen im Strafrecht. Vermutet eine der Mietvertragsparteien ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Gegners, so wird schnell einmal eine Strafanzeige erstattet, um die Strafverfolgungsbehörden in die Auseinandersetzung einzuschalten. Allerdings gilt nicht immer der Grundsatz, dass man dieses ja gefahrlos tun könne. Vor allem für die Vermieterseite eröffnet sich möglicherweise durch die Strafanzeige eines Mieters durchaus die Möglichkeit, diese in bestimmten Fällen zur Kündigung des Mietverhältnisses zu nutzen.

Ausgangssituation

Ein gutes Beispiel für einen derartigen Sachverhalt bietet etwa eine Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg vom 14.04.2016, Az. 42 C 61/15. Vermieter und Mieterin hatten seit einigen Jahren wiederholt über Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis gestritten. Teilweise gab es gerichtliche Auseinandersetzungen. Auch mehrere Abmahnungen durch den Vermieter waren an die Mieterin erfolgt.

Diese Streitereien gipfelten schließlich darin, dass die Mieterin eines Tages Strafanzeige bei der Polizei gegen den Vermieter wegen Körperverletzung erstattet und einen entsprechenden Strafantrag gestellt hat. Die Mieterin behauptete, der Vermieter habe sie mit dem Brustkorb die Treppe hinuntergestoßen. Hierdurch habe sie Schmerzen und Hämatome erlitten. Daraufhin war gegen den Vermieter ein Strafbefehl ergangen und er wegen dieser vermeintlichen Straftat verurteilt worden. Gegen diesen Strafbefehl setzte sich der Vermieter aber zur Wehr und wurde letzten Endes mit einem rechtskräftigen Urteil vom zuständigen Amtsgericht freigesprochen. Der Freispruch wurde mit tatsächlichen Gründen begründet, was bedeutet, dass das Gericht davon ausgegangen war, dass die dem Vermieter vorgeworfene Körperverletzung entweder nicht stattgefunden habe oder aber nicht nachweisbar sei.

Nach Rechtskraft des Freispruchs ging der Vermieter seinerseits in die Offensive und kündigte das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß. Die Kündigung wurde damit begründet, dass ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund der massiven persönlichen Angriffe, insbesondere durch die Strafanzeige, nicht mehr zumutbar sei. Nachdem die Mieterin nicht freiwillig ausgezogen war, erhob der Mieter Räumungsklage zum Amtsgericht Hamburg.

Die Entscheidung

Mit seinem Urteil vom 14.04.2016, Az. 42 C 61/15, stellt das Amtsgericht Hamburg die Rechtslage zur Kündigung nach erhobenen Strafanzeigen nochmals dar. Es weist darauf hin, dass dann eine erhebliche Vertragsverletzung durch den Mieter vorliege, die zur außerordentlichen Kündigung berechtige, wenn eine Strafanzeige wissentlich oder leichtfertig auf Grundlage unwahrer Tatsachen erstattet wird. In diesen Fällen sei die Strafanzeige unverhältnismäßig. Maßgebend sei das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser liege in der Verwendung des unlauteren und allgemein missbilligten Mittels der Verleumdung.

Allerdings reiche es für die Annahme einer Pflichtverletzung nicht aus, dass ein gegen den Angezeigten eingeleitetes Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde. Gleiches gilt dann auch, wenn aufgrund fehlenden Nachweises oder aber aus dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ ein Freispruch erfolgt war. Letzten Endes müsse über die ausgesprochene Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprechend der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trage dabei grundsätzlich der Kündigende, in unserem Fall also der Vermieter. Eine Strafanzeige gegen den Vermieter stelle als solche noch keine Pflichtverletzung des Mieters dar. Pflichtwidrig sei eine Strafanzeige nur dann, wenn sie schuldhaft falsch war, was wiederum der Vermieter beweisen müsse.

Im konkreten Fall war das Amtsgericht Hamburg der Meinung, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme weder feststehe, dass die Mieterin bei der Erstattung der Strafanzeige den Vermieter bewusst fälschlich der Körperverletzung bezichtigt habe. Noch habe es sich ergeben, dass der Vermieter die von der Mieterin behauptete Körperverletzung tatsächlich begangen habe. Die entscheidende Frage, ob sich der der Strafanzeige zugrunde liegende Sachverhalt tatsächlich wie angezeigt ereignet hat oder ob er von der Mieterin erfunden worden war, sei streitig geblieben und habe auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht zur zweifelsfreien Überzeugung des Gerichts geklärt werden können.

Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht Hamburg im zu entscheidenden Einzelfall die Kündigung zwar für unwirksam erklärt. Nichts desto trotz bleibt als Quintessenz aus dem Urteil aber festzuhalten, dass eine Strafanzeige, die wider besseres Wissens gegen einen Vermieter gestellt wird, eine daraufhin erklärte fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durchaus rechtfertigen kann. Was letztendlich als Unwägbarkeit bleibt sind Beweisfragen. Diese sollte und kann man vor Ausspruch einer Kündigung aber prüfen, gegebenenfalls auch mit Hilfe rechtskundigen Rats.

Fazit

Die Erstattung einer Strafanzeige und die Stellung eines Strafantrags gegen den Vermieter können sich für den Mieter also durchaus als Bumerang erweisen. Sofern es zu einer Einstellung des Strafverfahrens oder einem Freispruch des Vermieters kommt eröffnet sich diesem damit durchaus die Möglichkeit, die erfolglose Strafanzeige als Begründung für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu verwenden. Dabei kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an. War die Strafanzeige die einzige Verfehlung des Mieters oder gibt es auch noch andere Störungen des Vertragsverhältnisses? Hat es in der Vergangenheit bereits Abmahnungen gegen den Mieter gegeben? Je massiver die sonstigen Verfehlungen des Mieters sind, umso geringere Anforderungen kann man sicherlich an die Frage stellen, ob und wie leichtfertig eine Strafanzeige erstattet wurde.

Gut zu wissen ist es für den Vermieter aber auf jeden Fall, dass er einer Strafanzeige nicht hilflos gegenübersteht. Dies gilt gerade und vor allem dann, wenn er sich nichts vorzuwerfen hat und die Behauptung des Mieters, mit der die Strafanzeige begründet wird, ersichtlich aus der Luft gegriffen ist.