Dr. Bernd Wölfl: „Kein Einbruch bei gekippten Fenstern“

(„Wohnung & Haus“, 3/2016)

Kein Einbruch bei gekippten Fenstern

 

 

Rechtsanwalt Dr. Bernd Wölfl, Pocking

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Strafrecht
ständiger Mitarbeiter von Wohnung + Haus
stellvertretender Vorsitzender des BWE Passau

BWoelfl

Der Bundesgerichtshof hat kürzlich in einer Entscheidung klargestellt, dass kein Einbruchdiebstahl vorliegt, wenn der Täter eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betritt. Dies gelte unabhängig davon, auf welche Weise der Täter die Tür geöffnet hat. Diese Entscheidung kann für Wohnungsinhaber auch abseits des Strafrechts durchaus versicherungsrechtliche Folgen haben.

Ausgangssituation:

In dem Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, hatte der Angeklagte durch ein auf „Kipp“ stehendes Fenster eines Wohnhauses gegriffen und die am oberen Fensterrahmen angebrachte Verriegelungsschiene gelöst. Dadurch war es ihm möglich, das Fenster weiter nach hinten zu kippen und den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen. Durch die auf diese Weise geöffnete Tür konnte sich der Angeklagte Zutritt zu dem Wohnhaus verschaffen. Der Bundesgerichtshof musste nun die Frage entscheiden, ob bei dieser Sachlage strafrechtlich ein Einsteigen und damit ein Einbruchsdiebstahl vorliegen. Der Täter hat ja eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Öffnung benutzt, aber das Eindringen durch diese Öffnung erfordert nun doch eine manipulative Überwindung einer zum Öffnen nicht bestimmten mechanischen Sperre. Strafrechtlich ist dies deshalb von Bedeutung, weil bei einem Einbruchsdiebstahl eine wesentlich höhere Strafe droht als bei einem gewöhnlichen Diebstahl.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof ist in seinem Beschluss vom 10.03.2016, Az. 3 StR 404/15, der Meinung, dass in dem geschilderten Fall gerade kein Einsteigen und somit kein Einbruchsdiebstahl vorliegen. Die Karlsruher Richter ziehen verschiedene Argumente heran und schlussfolgern daraus, dass ein Einsteigen nicht gegeben sei. Auch der allgemeine Sprachgebrauch lege dies nahe. Dieser verstehe „Einsteigen“ als das Sichverschaffen unrechtmäßigen Zutritts durch Hineinklettern. Soweit diese Definition die Stelle des Zutritts nicht näher umschreibe, bedeute dies in der Sache keinen Unterschied. Denn dafür, dass eine zum ordnungsgemäßen Eintreten bestimmte Öffnung als Ort des Zugangs ausscheide, spräche bereits das Erfordernis des Hineinkletterns, unabhängig davon, welche Art von Bewegungen man darunter versteht.

Letzten Endes kommen die Richter zu dem Ergebnis, dass kein Einbruchsdiebstahl vorgelegen habe und verurteilen den Angeklagten für diesen Tatkomplex lediglich wegen einfachen Diebstahls.

Folgen der Entscheidung:

Für den betroffenen Wohnungsinhaber ist an dieser Entscheidung weniger die strafrechtliche Seite von großer Bedeutung. Hiermit hat der Geschädigte nur wenig zu tun. Viel wichtiger ist ein anderer Aspekt:

Nach den Bestimmungen der Hausratversicherung haftet diese für eingetretene Schäden, wenn ein Fall des sogenannten Einsteigediebstahls vorliegt. Ein Einsteigen im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei voraus, dass der Täter kriecht, klettert oder springt. Erforderlich ist also eine ungewöhnliche, nach dem Bauzustand des Gebäudes nicht vorgesehene Art und Weise der Fortbewegung und des Zugangs. In Fällen der vorliegenden Art lässt sich aber durchaus die Auffassung vertreten, dass kein derartiger ungewöhnlicher Zugang vorliege. Vielmehr sei der Täter durch eine ordnungsgemäß geöffnete Balkontüre in das Haus gelangt. Ein Einsteigen und somit ein Einbruchsdiebstahl lägen daher nicht vor.

Hat ein Haftpflichtversicherer mit einer derartigen Argumentation Erfolg, bedeutet dies für den Geschädigten, dass er für den ihm entstandenen Schaden keinen Versicherungsschutz hat. In diesem Fall würde er auf seinem Schaden sitzen bleiben. Es bedarf keiner Erörterung, dass dieses Ergebnis für den Geschädigten durchaus sehr drastische, mitunter auch existenzgefährdende Folgen haben kann.

Fazit:

Man muss nicht den Teufel an die Wand malen oder unverhältnismäßige Ängste schüren. Es sollte jeder Wohnungsinhaber aber darauf achten, dass er es einem Einbrecher nicht zu leicht macht. Wenn sich die Schutzmechanismen einer Wohnung allzu leicht überwinden lassen besteht durchaus die Gefahr, dass ein Versicherer sich die (strafrechtliche) Argumentation des Bundesgerichtshofes zu eigen macht. Dies führt dann zunächst einmal zur Leistungsablehnung der Versicherung. Der Geschädigte selbst ist dann darauf verwiesen, seine Rechte geltend zu machen und einen Rechtsstreit mit der Versicherung aufzunehmen. Wie dieser am Ende ausgeht, vermag niemand zu sagen. Es besteht jedenfalls die Gefahr, dass der Geschädigte seinen Schaden nicht oder zumindest nicht voll ersetzt bekommt.

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